1.1 Hauptzüge des deutschen Sprachbaus
Im Vergleich mit anderen germanischen Sprachen, wo die innere Flexion eine sehr geringe Rolle spielt, ist ihr Gebrauch im Deutschen charakteristisch. Im Komplex mit der äußeren Flexion und den analytischen grammatischen Mitteln trägt die innere Flexion oft zur Vermehrung der grammatischen Formmittel bei, indem der grammatische Inhalt ohne Veränderung bleibt, z.B. in der Form die Bücher kommt die Kategorie der Zahl dreimal zum Ausdruck: mit Hilfe einer inneren Flexion (Umlauts), einer äußeren (Pluralmorphem) -er und der Pluralform des Artikels.
Ein wesentlicher Zug für die Morphologie des deutschen Wortes ist die ungleichmäßige Flexionsverteilung. Bei den einen Wortarten ist die Flexion viel stärker ausgebildet als bei den anderen. Das Substantiv enthält ein am wenigsten entwickeltes System der Flexionen. Anders steht es mit den Redeteilen, wie das Verb, Demonstrative- und Possessivpronomen und das Adjektiv, das das Subjekt syntaktisch bestimmt. Sie haben viel ausgebildete Flexionssysteme als das Substantiv. Der Artikel ist am reichsten an Flexion zu nennen, obwohl er keine selbstständige Wortart ist.
Kennzeichnend für die deutsche Morphologie ist das Variieren der Flexionen in einer Wortform mit einer und derselben syntaktischen Flexion je nach der Distribution. Es geht um Adjektive, die stark oder schwach dekliniert werden können. Dabei bleiben alle grammatischen Kategorien des Adjektivs, wie Kasus, Geschlecht und Zahl, ohne Veränderung, z.B. weiches Brot, das weiche Brot [59].
1.2 Grammatik im engeren Sinne des Wortes. Der Aufbau und der Inhalt der Grammatikbücher
Unter dem grammatischen Bau einer Sprache wird die Gesamtheit der grammatischen Einheiten dieser Sprache und der Regel ihrer Verwendung verstanden.
Das Wort „Grammatik“ hat einige Bedeutungen. Einerseits ist es der grammatische Bau einer Sprache und die Theorie, die den Sprachbau bezeichnet. In diesem Zusammenhang spricht man von dem weiteren Sinne des Wortes „Grammatik“. Traditionell schließt die Grammatiktheorie zwei Teile ein: Wortlehre (Morphologie) und Satzlehre (Syntax), z.B. W.G. Admoni [17]. Manche Grammatikforscher wie K. E. Sommerfeldt, G. Starke und D. Nerius [52] rechnen zu den grammatischen Problemen auch Orthographie zu. Seit der zweiten Hälfte des XX. Jahrhunderts werden im Rahmen der Grammatiktheorie auch Textprobleme behandelt. In der deutschen Sprachwissenschaft ist üblich den dritten Teil, Phonetik, hinzuzufügen.
Auf solche Weise beobachten wir verschiedenartige Variationen in der Auffassung und Darstellung der Grammatiktheorie. Diese Unterschiede sind durch mehrere Ursachen bedingt, die sowohl objektiver, als auch subjektiver Natur sein können. Die Auffassung ist von den theoretischen Ansichten der Autoren der Grammatikbücher und von den wissenschaftlichen Interessen abhängig [60].
1.3 Die Stellung der theoretischen Grammatik unter anderen linguistischen Disziplinen
Jede Sprache zeigt sich als ein System mit eigenem Bau. Alle Konstituenten dieses Systems befinden sich in den Verhältnissen der gegenseitigen Mitwirkung. Jeder der Bestandteile des Sprachbaus hat eigene Einheiten, die mit den Einheiten der anderen Bestandteile auf engste verbunden sind.
Jeder Bestandteil (Ebene) des Sprachsystems besitzt außer eigenen Einheiten Regeln ihrer gegenseitigen Verknüpfung und ihres Funktionierens. Jede Sprachebene mit ihrem Instrumentarium wird zum Objekt der Untersuchung, z.B. Grammatik, Phonetik, Lexik.
Die Verbindung der Grammatik mit dem Lautsystem und den prosodischen Mitteln (Intonation und Akzent) ist verschiedenartig. So z.B. bestehen alle grammatischen Morpheme aus Phonemen oder Phonemfolgen, die durch Laute bzw. Lautfolgen ausgedrückt werden. Die Betonung spielt beispielsweise in der Formbildung eine gewisse Rolle (z.B. das betonte Präfix wird vom Verbalstamm abgegrenzt). Am wesentlichsten aber ist, dass die prosodischen Mittel als bestimmende Elemente des Satzes fungieren, indem sie diesem eine bestimmte Klanggestalt verleihen. Die Intonation kann ein einzelnes Wort zum Satz machen (z.B.: Halt! Weg!) [60].
1.4 Gegenstand der Grammatik
Grammatik wird wie ein Bestandteil des sprachlichen Systems und wie Wissenschaft von diesem Bestandteil verstanden. Beide Bedeutungen sind auseinanderzuhalten, obwohl sie inhaltlich verbunden sind.
Die Wissenschaft Grammatik beschreibt den Gegenstand Grammatik. Grammatik in beiden Bedeutungen ist eine Abstraktion: Sie existiert in der Wirklichkeit nicht eigenständig, sondern offenbart sich in konkreten Wörtern mit einem bestimmten Lautkörper. Um eine grammatische Regel aufzustellen, strebt man Verallgemeinerungen an. Die können verschiedenen Grades sein.
Die Grammatik hängt mit anderen Bestandteilen der Sprache eng zusammen, das sind Lexik und Phonetik sowie Stilistik, z.B. der innere lexikalische Einfluss (die Einwirkung „von innen“). .
Die Bedeutung des Präsens ist allen Verben unabhängig von ihrer lexikalischen Bedeutung eigen, dagegen hängt die Wahl des Hilfsverbs von den semantischen Gruppen der Verben ab.